Es war einmal eine sehr kleine Spinne, die lebte auf einem Baum am Waldrand.
Lange bevor die Spinne aus ihrem Ei geschlüpft war, hatte der Baum einen dünnen Ast abgeworfen, der dort zwischen den anderen Ästen nicht mehr genug Licht bekommen hatte. Ein Astloch war zurückgeblieben: hoch genug über dem Boden, dass die großen Tiere sich nicht daran schubbern oder daran knabbern konnten, aber noch weit unterhalb der Höhe, auf der die anderen Bäume ihre Kronen begannen, die nicht am Rand des Waldes standen.
Dieses Astloch war das Zuhause der Spinne. Sie hatte es im Laufe ihres schon mehrere Jahre langen Lebens mit einem geschickten Netz ausgekleidet, und wenn eine Blattlaus oder sonst ein kleines Insekt, das in den weitläufigen Furchen der Rinde hauste, einen Fuß in das Astloch setzte, konnte sie es fangen und sich davon ernähren.
Eines Tages ging der Spinne ein besonders großer Fang ins Netz: eine Mücke nämlich, die sich von der Brautsuche über der Wiese zu ihr her verirrt hatte.
Das feine Netz des Astlochspinnchens nahm einigen Schaden, als es den schweren Körper der Mücke auffing, aber es hielt stand und klebte die Mücke mit seinen Fäden fest. Flink spritze die Spinne ihr Gift in das größere Tier, das es mit der Zeit schwächen und töten würde.
Als die Mücke so schwach war, dass das Spinnchen überhaupt keine Angst mehr von ihr hatte, fragte es sie:
„Was bist du für ein Wesen? Du bist noch größer als ich, aber du bist keins von den Rindentieren. Ich möchte mich auch vorstellen: Ich bin eine Astlochspinne, und alles, was sich in mein Astloch verirrt, nehme ich für meine Nahrung. Ich habe dich gestochen, und jetzt stirbst du.“
„So ist das“, sagte die Mücke, „dann sterbe ich jetzt. Ich habe mich fortgepflanzt, und wenn so die Regeln dieses Ortes sind, dann soll dem so sein. Ich bin eine Mücke! Wir leben auf der Wiese, neben dem Wald. Unsere Larven leben in dem Wasser, das sich in der Traktorspur sammelt, und unsere Weibchen sammeln Blut von den Kühen, bevor sie Eier legen.“
Die Spinne war verwundert. Sie hatte verstanden, was ihre Beute gesagt hatte, konnte aber nichts damit anfangen:
„Was ist denn eine Traktorspür?“, fragte sie, „und was ist eine Kuh?“
„Eine Kuh ist ein großes Tier“, antwortete die Mücke weise: „Ein Säugetier, in dessen Innerem rotes Blut fließt.“
„So wie ein Specht?“, fragte das Spinnchen.
Höher im Baum wohnte ein Specht; er hämmerte immer wieder schrecklich laut gegen das Holz, in dem auch die Spinne ihre Höhle hatte. Ein Gewitterwürmchen hatte ihr einmal davon erzählt, und seitdem fürchtete die Spinne sich davor, von einem harten Schnabel aus ihrem Zuhause gepickt zu werden, der sogar das Holz zerschlagen könnte.
„Ein Specht ist ein Vogel, habe ich gehört“,
sagte die Spinne, als die Mücke nicht gleich antwortete.
„Natürlich weiß ich, was ein Specht ist“, sagte die Mücke, „aber eine Kuh ist etwas ganz anderes.
Die Haut einer Kuh ist so dick wie die Rinde dieses Baumes, und ihre Augen sind beide größer als dein ganzes Astloch.“
Als die Spinne das hörte, war sie sehr erleichtert, dass es Kühe nur auf der Wiede gab und nicht auf Bäumen.
„Und eine Traktorspur“, fragte sie, „Was ist das?“
„Nicht eine Traktorspur“, sagte die Mücke abschätzig, „sondern: die Traktorspur. Es gibt nur die eine. Es ist eine bestimmte Stelle am Boden, an der die Erde frei an der Luft liegt, ohne Laub oder Gras oder sonstwas. Und sie ist außerdem besonders fest, sodass das Wasser, wenn es regnet, dort stehen bleibt und eine einzige große Oberfläche bildet. Unsere Larven leben darin.“
Die Spinne war beeindruckt von den Erzählungen der gefangenen Mücke, und wurde wirklich sehnsüchtig nach der Wiese, nach Gras, Erde, und der Traktorspur. Wie viele Dinge es dort gab, von denen sie nichts wusste! Wenn sie nur einmal die Möglichkeit haben würde, das alles zu sehen. Sogar die Angst vor den unvorstellbar riesigen Kühen konnte die Sehnsucht nicht bremsen: eher noch gab sie ihr einen Beigeschmack von Abenteuer und Wagnis.
„Ach!“, entfuhr es ihr: „Wieviel du gesehen hast, liebe Mücke! Und ich verbringe mein ganzes Leben schon in diesem einen Astloch hier. Sicher: ich lerne auch einiges. Ich spreche mit Gewitterwürmchen, Blattläusen und Larven, aber sie alle kennen doch nur den einen selben Baum. Du aber bist gereist, liebe Mücke. Deine Welt ist so viel großer als meine.“
„So ist das“, sagte die Mücke: „Manche können reisen und andere nicht. Ich habe Flügel, und ich kann überall hinfliegen, wo ich will.“
„Und wen triffst du dort?“, wollte die Spinne weiter wissen:
„Wer lebt sonst noch auf der Erde, oder in der Traktorspur? Oder auf der Haut einer Kuh?“
„Ach, alle möglichen Tiere“, sagte die Mücke: „Jede Menge Larven, und krabbelnde und fliegende und still sitzende.“
„Und, was sagen die?“
Diese Frage schien die Mücke nicht zu verstehen:
„Was sollen die sagen?“, wollte sie wissen, und zuckte mit ihren Flügeln, als ob sie losfliegen wollte, aber das Netz der Astlochspinne hielt sie fest.
„Alle sagen irgendwas“, meinte die Spinne: „Alle, die mir hier ins Netz gegangen sind, haben irgendetwas zu sagen gehabt. Manche sagen immer nur das Gleiche, wie die Blattläuse zum Beispiel. Die begreifen nicht, dass sie in einem Netz hängen, und laufen einfach weiter mit ihren kleinen Beinen, bis sie tot sind. Oder Larven: fast alle Larven reden von der Zukunft, was sie einmal für Insekten sein werden.
Und je mehr sie sich hier verheddern, desto mehr reden sie davon. Die begreifen es auch nicht. Dann gibt es die Gewitterwürmchen, die begreifen's, aber es ist ihnen egal, denn sie wissen, dass sie die kleinsten von allen Rindenbewohnern sind, und dass es noch genug von ihnen gibt. Ameisen denken so ähnlich, aber sie versuchen bis zum Ende, sich zu befreien. Ameisen halten sich für die größten Tiere, die es gibt.
Und jetzt habe ich also eine Mücke gefangen... Du redest nicht von der Zukunft wie die Larven, und auch nicht von deinen Artgenossen. Du redest nur von dir selbst, und was du alles schon gesehen hast. Ich bin unendlich neidisch und eifersüchtig auf deine Flügel, und deine Beweglichkeit. Wenn ich dir zuhöre, könnte ich glatt aus meinem Astloch heraus und auf den Boden springen, um mich auf die Suche nach dieser Traktorspur zu machen, von der du erzählt hast.
Aber, was weißt du schon? Du hast so viel gesehen und erlebt. Aber auch du begreifst nicht, dass du hier in meinem Netz hängst und nicht mehr fortkommen wirst, oder? Ich glaube, du redest zu mir genau so wie zu allen anderen Tieren, die du triffst.
Ich sehe euch Mücken manchmal in der Dämmerung über die Wiese tanzen – ich habe mich schon oft gefragt, was ihr da wohl tut. Ich glaube, ich weiß es jetzt: ihr redet von Kühen, weil ihr von denen das Blut für eure Eier braucht; und von dem Wasser in der Traktorspur, in das ihr eure Eier hineinlegt. Vielleicht, manchmal, von der Wiese.
Aber ich glaube, du hast noch nie darüber nachgedacht, was ein Baum ist.“
„Wozu auch!“, rief die Mücke aus. Ihr Beine waren schon vollkommen eingeheddert, und ein Flügel knickte in der Mitte ab.
„Was interessiert mich ein Baum!“
„Du stirbst in einem“, sagte die Spinne: „Vielleicht wärst du darum herum gekommen, wenn du schon einmal davon gehört hättest, dass hier solche Wesen wie ich hausen, die auch Mücken fressen.“
„Was interessiert mich dein Fressen und deine Falle“, sagte die Mücke, und spuckte in eine Verstrickung des Netzes, die ihre Kiefer umflocht: „Ich habe mich fortgepflanzt. Alles andere ist nicht notwendig.“
Die Spinne sagte: „Jetzt redest du wie ein Gewitterwürmchen.“
„Pah!“, rief die Mücke aus: „Gewitterwürmchen! Was wissen die schon!“ – Und sie schüttelte sich vor Verachtung, und wickelte sich noch fester in die klebrigen Fäden des Astlochgespinstes ein.
„Das ist eine gute Frage“, sagte die Spinne,
und die Mücke unterbrach sie: „Das ist überhaupt keine Frage! Und überhaupt, lass das Fragen sein! Du bist abstoßend.“
„Dann bin ich das also“, sagte die Spinne, „aber gut, ich will nicht mehr fragen. Eine Frage hast du aber gestellt: Was die Gewitterwürmchen denn schon wissen. Was die Gewitterwürmchen wissen?
Mehr als du wissen sie! Alle wissen mehr als du.
So wie auch alle mehr wissen als ich.“
„Allerdings“, schnabte die Mücke heraus, „du stolze kleine Spinne in deinem winzigen Astloch. Alle wissen mehr als du. Und du willst es einfach nicht begreifen, kann das sein? Du könntest herausspringen. Ich an deiner Stelle würde keine Sekunde zögern, und sofort losspringen, egal, was da kommt. Aber du? Du bleibst einfach hier sitzen, bis du stirbst. Und tust nichts als zuzuhören.“
„Ja“, sagte die Spinne, „so ist das.
Aber dir brauche ich nicht weiter zuhören. Du hast ausgeredet. Hab ich recht?“
„So ist es.“, sagte die Mücke, kaum noch erkennbar in dem Knäuel aus Spinnfäden, das ihre anhaltenden Bewegungen um sie gefilzt hatten: „Fahr zur Hölle.“
Die Spinne zog sich in die tieferen Stellen ihres Astlochs zurück, wo sie ihre Eier aufbewahrte, die ein reisendes Männchen vor einiger Zeit befruchtet hatte, und wartete, bis die Mücke tot war. Dann fraß sie sich satt und legte ihre Eier in die Schale der gestorbenen Mücke hinein.
Die jungen Spinnen würden sich vom Körper der Mücke ernähren, bis sie einen langen Faden weben könnten, und an einem windigen Tag am Ende des Sommers würden sie sich davonwehen lassen.
Das Astlochspinnchen selbst würde so etwas nie wieder tun; es hatte sich nur einmal am Anfang seines Lebens hier her wehen lassen. Jetzt war es schon mehrere Jahre alt, und den nächsten Winter würde es gewiss nicht mehr überstehen – es würde nur noch einmal seinen Jungen nachschauen, und dann würde es sterben. Und all sein Wissen würde fort sein.
Lange bevor die Spinne aus ihrem Ei geschlüpft war, hatte der Baum einen dünnen Ast abgeworfen, der dort zwischen den anderen Ästen nicht mehr genug Licht bekommen hatte. Ein Astloch war zurückgeblieben: hoch genug über dem Boden, dass die großen Tiere sich nicht daran schubbern oder daran knabbern konnten, aber noch weit unterhalb der Höhe, auf der die anderen Bäume ihre Kronen begannen, die nicht am Rand des Waldes standen.
Dieses Astloch war das Zuhause der Spinne. Sie hatte es im Laufe ihres schon mehrere Jahre langen Lebens mit einem geschickten Netz ausgekleidet, und wenn eine Blattlaus oder sonst ein kleines Insekt, das in den weitläufigen Furchen der Rinde hauste, einen Fuß in das Astloch setzte, konnte sie es fangen und sich davon ernähren.
Eines Tages ging der Spinne ein besonders großer Fang ins Netz: eine Mücke nämlich, die sich von der Brautsuche über der Wiese zu ihr her verirrt hatte.
Das feine Netz des Astlochspinnchens nahm einigen Schaden, als es den schweren Körper der Mücke auffing, aber es hielt stand und klebte die Mücke mit seinen Fäden fest. Flink spritze die Spinne ihr Gift in das größere Tier, das es mit der Zeit schwächen und töten würde.
Als die Mücke so schwach war, dass das Spinnchen überhaupt keine Angst mehr von ihr hatte, fragte es sie:
„Was bist du für ein Wesen? Du bist noch größer als ich, aber du bist keins von den Rindentieren. Ich möchte mich auch vorstellen: Ich bin eine Astlochspinne, und alles, was sich in mein Astloch verirrt, nehme ich für meine Nahrung. Ich habe dich gestochen, und jetzt stirbst du.“
„So ist das“, sagte die Mücke, „dann sterbe ich jetzt. Ich habe mich fortgepflanzt, und wenn so die Regeln dieses Ortes sind, dann soll dem so sein. Ich bin eine Mücke! Wir leben auf der Wiese, neben dem Wald. Unsere Larven leben in dem Wasser, das sich in der Traktorspur sammelt, und unsere Weibchen sammeln Blut von den Kühen, bevor sie Eier legen.“
Die Spinne war verwundert. Sie hatte verstanden, was ihre Beute gesagt hatte, konnte aber nichts damit anfangen:
„Was ist denn eine Traktorspür?“, fragte sie, „und was ist eine Kuh?“
„Eine Kuh ist ein großes Tier“, antwortete die Mücke weise: „Ein Säugetier, in dessen Innerem rotes Blut fließt.“
„So wie ein Specht?“, fragte das Spinnchen.
Höher im Baum wohnte ein Specht; er hämmerte immer wieder schrecklich laut gegen das Holz, in dem auch die Spinne ihre Höhle hatte. Ein Gewitterwürmchen hatte ihr einmal davon erzählt, und seitdem fürchtete die Spinne sich davor, von einem harten Schnabel aus ihrem Zuhause gepickt zu werden, der sogar das Holz zerschlagen könnte.
„Ein Specht ist ein Vogel, habe ich gehört“,
sagte die Spinne, als die Mücke nicht gleich antwortete.
„Natürlich weiß ich, was ein Specht ist“, sagte die Mücke, „aber eine Kuh ist etwas ganz anderes.
Die Haut einer Kuh ist so dick wie die Rinde dieses Baumes, und ihre Augen sind beide größer als dein ganzes Astloch.“
Als die Spinne das hörte, war sie sehr erleichtert, dass es Kühe nur auf der Wiede gab und nicht auf Bäumen.
„Und eine Traktorspur“, fragte sie, „Was ist das?“
„Nicht eine Traktorspur“, sagte die Mücke abschätzig, „sondern: die Traktorspur. Es gibt nur die eine. Es ist eine bestimmte Stelle am Boden, an der die Erde frei an der Luft liegt, ohne Laub oder Gras oder sonstwas. Und sie ist außerdem besonders fest, sodass das Wasser, wenn es regnet, dort stehen bleibt und eine einzige große Oberfläche bildet. Unsere Larven leben darin.“
Die Spinne war beeindruckt von den Erzählungen der gefangenen Mücke, und wurde wirklich sehnsüchtig nach der Wiese, nach Gras, Erde, und der Traktorspur. Wie viele Dinge es dort gab, von denen sie nichts wusste! Wenn sie nur einmal die Möglichkeit haben würde, das alles zu sehen. Sogar die Angst vor den unvorstellbar riesigen Kühen konnte die Sehnsucht nicht bremsen: eher noch gab sie ihr einen Beigeschmack von Abenteuer und Wagnis.
„Ach!“, entfuhr es ihr: „Wieviel du gesehen hast, liebe Mücke! Und ich verbringe mein ganzes Leben schon in diesem einen Astloch hier. Sicher: ich lerne auch einiges. Ich spreche mit Gewitterwürmchen, Blattläusen und Larven, aber sie alle kennen doch nur den einen selben Baum. Du aber bist gereist, liebe Mücke. Deine Welt ist so viel großer als meine.“
„So ist das“, sagte die Mücke: „Manche können reisen und andere nicht. Ich habe Flügel, und ich kann überall hinfliegen, wo ich will.“
„Und wen triffst du dort?“, wollte die Spinne weiter wissen:
„Wer lebt sonst noch auf der Erde, oder in der Traktorspur? Oder auf der Haut einer Kuh?“
„Ach, alle möglichen Tiere“, sagte die Mücke: „Jede Menge Larven, und krabbelnde und fliegende und still sitzende.“
„Und, was sagen die?“
Diese Frage schien die Mücke nicht zu verstehen:
„Was sollen die sagen?“, wollte sie wissen, und zuckte mit ihren Flügeln, als ob sie losfliegen wollte, aber das Netz der Astlochspinne hielt sie fest.
„Alle sagen irgendwas“, meinte die Spinne: „Alle, die mir hier ins Netz gegangen sind, haben irgendetwas zu sagen gehabt. Manche sagen immer nur das Gleiche, wie die Blattläuse zum Beispiel. Die begreifen nicht, dass sie in einem Netz hängen, und laufen einfach weiter mit ihren kleinen Beinen, bis sie tot sind. Oder Larven: fast alle Larven reden von der Zukunft, was sie einmal für Insekten sein werden.
Und je mehr sie sich hier verheddern, desto mehr reden sie davon. Die begreifen es auch nicht. Dann gibt es die Gewitterwürmchen, die begreifen's, aber es ist ihnen egal, denn sie wissen, dass sie die kleinsten von allen Rindenbewohnern sind, und dass es noch genug von ihnen gibt. Ameisen denken so ähnlich, aber sie versuchen bis zum Ende, sich zu befreien. Ameisen halten sich für die größten Tiere, die es gibt.
Und jetzt habe ich also eine Mücke gefangen... Du redest nicht von der Zukunft wie die Larven, und auch nicht von deinen Artgenossen. Du redest nur von dir selbst, und was du alles schon gesehen hast. Ich bin unendlich neidisch und eifersüchtig auf deine Flügel, und deine Beweglichkeit. Wenn ich dir zuhöre, könnte ich glatt aus meinem Astloch heraus und auf den Boden springen, um mich auf die Suche nach dieser Traktorspur zu machen, von der du erzählt hast.
Aber, was weißt du schon? Du hast so viel gesehen und erlebt. Aber auch du begreifst nicht, dass du hier in meinem Netz hängst und nicht mehr fortkommen wirst, oder? Ich glaube, du redest zu mir genau so wie zu allen anderen Tieren, die du triffst.
Ich sehe euch Mücken manchmal in der Dämmerung über die Wiese tanzen – ich habe mich schon oft gefragt, was ihr da wohl tut. Ich glaube, ich weiß es jetzt: ihr redet von Kühen, weil ihr von denen das Blut für eure Eier braucht; und von dem Wasser in der Traktorspur, in das ihr eure Eier hineinlegt. Vielleicht, manchmal, von der Wiese.
Aber ich glaube, du hast noch nie darüber nachgedacht, was ein Baum ist.“
„Wozu auch!“, rief die Mücke aus. Ihr Beine waren schon vollkommen eingeheddert, und ein Flügel knickte in der Mitte ab.
„Was interessiert mich ein Baum!“
„Du stirbst in einem“, sagte die Spinne: „Vielleicht wärst du darum herum gekommen, wenn du schon einmal davon gehört hättest, dass hier solche Wesen wie ich hausen, die auch Mücken fressen.“
„Was interessiert mich dein Fressen und deine Falle“, sagte die Mücke, und spuckte in eine Verstrickung des Netzes, die ihre Kiefer umflocht: „Ich habe mich fortgepflanzt. Alles andere ist nicht notwendig.“
Die Spinne sagte: „Jetzt redest du wie ein Gewitterwürmchen.“
„Pah!“, rief die Mücke aus: „Gewitterwürmchen! Was wissen die schon!“ – Und sie schüttelte sich vor Verachtung, und wickelte sich noch fester in die klebrigen Fäden des Astlochgespinstes ein.
„Das ist eine gute Frage“, sagte die Spinne,
und die Mücke unterbrach sie: „Das ist überhaupt keine Frage! Und überhaupt, lass das Fragen sein! Du bist abstoßend.“
„Dann bin ich das also“, sagte die Spinne, „aber gut, ich will nicht mehr fragen. Eine Frage hast du aber gestellt: Was die Gewitterwürmchen denn schon wissen. Was die Gewitterwürmchen wissen?
Mehr als du wissen sie! Alle wissen mehr als du.
So wie auch alle mehr wissen als ich.“
„Allerdings“, schnabte die Mücke heraus, „du stolze kleine Spinne in deinem winzigen Astloch. Alle wissen mehr als du. Und du willst es einfach nicht begreifen, kann das sein? Du könntest herausspringen. Ich an deiner Stelle würde keine Sekunde zögern, und sofort losspringen, egal, was da kommt. Aber du? Du bleibst einfach hier sitzen, bis du stirbst. Und tust nichts als zuzuhören.“
„Ja“, sagte die Spinne, „so ist das.
Aber dir brauche ich nicht weiter zuhören. Du hast ausgeredet. Hab ich recht?“
„So ist es.“, sagte die Mücke, kaum noch erkennbar in dem Knäuel aus Spinnfäden, das ihre anhaltenden Bewegungen um sie gefilzt hatten: „Fahr zur Hölle.“
Die Spinne zog sich in die tieferen Stellen ihres Astlochs zurück, wo sie ihre Eier aufbewahrte, die ein reisendes Männchen vor einiger Zeit befruchtet hatte, und wartete, bis die Mücke tot war. Dann fraß sie sich satt und legte ihre Eier in die Schale der gestorbenen Mücke hinein.
Die jungen Spinnen würden sich vom Körper der Mücke ernähren, bis sie einen langen Faden weben könnten, und an einem windigen Tag am Ende des Sommers würden sie sich davonwehen lassen.
Das Astlochspinnchen selbst würde so etwas nie wieder tun; es hatte sich nur einmal am Anfang seines Lebens hier her wehen lassen. Jetzt war es schon mehrere Jahre alt, und den nächsten Winter würde es gewiss nicht mehr überstehen – es würde nur noch einmal seinen Jungen nachschauen, und dann würde es sterben. Und all sein Wissen würde fort sein.